Kaffee schwarz

Ich habe angefangen, meinen Kaffee schwarz zu trinken, weil ich es satt hatte, beim Einkaufen ständig die Milch zu vergessen. Dabei habe ich Kaffee immer mit viel Milch geliebt, am besten im Verhältnis 1:1.

Es ist wie so oft im Leben: Einer von Zweien verliert immer. In diesem Fall war es eben die Milch. Weil sie am Ende doch zu unwichtig, zu verzichtbar war, um essentiell zu sein.

Es ist wie mit den Dingen, die wir sagen wollen und oftmals doch nie auf den Punkt bringen können. Ständig fragen wir einander, wie es uns geht. Es ist quasi der Einstieg in jede unserer Konversationen. Ich für meinen Fall möchte in diesem Moment jedoch eigentlich gar nicht fragen, wie es diesem einem ganz bestimmten Gegenüber geht. Ich bin lediglich nicht in der Lage, ihm zu sagen, dass er mir fehlt. Und so trinken wir Kaffee und reden über mehr oder minder belanglose Dinge, während wir um das, was wirklich zählt, stets einen übergroßen Bogen machen. Was uns berührt, bleibt ewig unangetastet. Und was wir wirklich sagen wollen, wird nie ein Mensch zu Ohren bekommen.

Denn wir haben Angst. Angst davor, uns unsere wahren Gefühle einzugestehen, und Angst vor der Erkenntnis, dass wir emotionale Macht über den anderen haben. Denn sobald wir voneinander wüssten, wie es im jeweils anderen aussieht, könnten wir einander auch verletzen. Und gerade das macht doch diese besondere Art der Beziehung aus – dass wir uns weder enttäuschen noch gegenseitig weh tun können. Und warum? Weil wir zu feige sind, uns wirklich auf den anderen einzulassen. Vielleicht ist es das Beste, was wir tun können.

Aber manchmal ist das einfach nicht genug. Ich bin durchaus in der Lage, mich eine Zeit lang mit schwarzem Kaffee zu arrangieren. Aber eben nicht auf Dauer. Irgendwann komme ich unumgänglich an den Punkt, an dem mir die Milch einfach fehlt. Genauso kann ich über einen gewissen Zeitraum – lassen wir es Wochen, Monate oder meinetwegen sogar Jahre sein – standhaft bleiben und mich auf niemanden wirklich einlassen, aber das funktioniert nur solange, bis ich irgendwann völlig unerwartet DEN Einen treffe. Den, der mich zu sehr interessiert, um nur seine Oberfläche zu betrachten. Den, der etwas in mir auslöst, dass ich kaum in Worte fassen kann. Den, der Gefühle in mir erweckt, von denen ich nicht einmal ahnte, dass ich sie so empfinden könnte. Den, der mein Herz berührt und nicht mehr loslässt.

Gewisse Dinge sollen einfach passieren. Und genau deshalb gibt es nichts, aber auch gar nichts, was wir tun können, um sie zu verhindern. Wir können uns noch so sehr an unseren Verstand klammern, denn wenigstens der weiß zumindest meistens zuverlässig, was richtig ist und was falsch. Einer dieser klugen Typen, die meinen uns sagen zu können, was wir zu tun haben. Die konnte ich noch nie leiden. Ich bin ein Herzensmensch.

Oh mein Gott, das bin ich tatsächlich. Aber wann genau bin ich dazu geworden? Egal. Unser Herz, mit ihm könnten wir natürlich zumindest versuchen, zu verhandeln. Wir können es anflehen, wenigstens ein bisschen auf die gutgemeinten Ratschläge und Weisungen des Verstandes einzugehen. Aber die beiden sind Feinde. Erzfeinde. Die wollen nicht kooperieren. Die wollen sich bekämpfen, und wenn es sein muss, bis aufs Blut. Und deswegen werden sie kaum einmal zu einer Einigung finden. Friedliche Koexistenz? Völlig utopisch.

Es ist ja auch gar nicht mein Ziel, einen solchen Zustand dauerhaft zu erreichen, das wäre vermessen, ich weiß. Nur dieses eine Mal würde es mir doch schon völlig reichen. Dieses eine Mal, und dann könnte vielleicht endlich auf alle Zeiten Ruhe einkehren. Herz und Verstand könnten ihren Kleinkrieg meinetwegen weiterführen, und er würde mich nicht mehr tangieren. Denn mein Herz hätte dann, was es so sehr will, und das ist doch im Grunde alles, was zählt. Das liebe Herz, wir können es mit Messern bedrohen und wir können es hassen, aber wir werden es niemals unterdrücken können. Denn letztlich wird es sich immer durchsetzen und dem Schicksal folgen. Weil es verdammt stark ist, unser Herz. Stark und vor allem selbstbestimmt, genau so, wie wir Menschen selbst gern wären. Es ist ein wahres Vorbild, denn es tut stets und ständig, was es will und lässt sich nicht beirren. Und meistens fährt es auf seiner egoistischen Schiene über kurz oder lang auch noch ganz gut, unser verdammtes Herz. Beneidenswert, wahrhaft beneidenswert.

Wieso also sollten wir überhaupt versuchen, unser Herz in die geregelte Bahn des Verstandes zu lenken, wenn wir doch eigentlich schon vorher wissen, dass uns das niemals gelingen wird? Und warum sollten wir das wollen, wenn es uns alles andere als glücklich macht?

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