Man sagt, es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. Deinem ersten Eindruck von mir folgend bist du anfänglich davon ausgegangen, ich würde dich hassen. Nicht, dass das damals gestimmt hätte. Wie auch? Ich kannte dich ja nicht und dabei hätte ich es besser auch belassen.
Betrachten wir deinen ersten Eindruck als eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Sinn macht es.
Die Frage ist nur: warum haben wir die Situation nicht gelassen, wie sie war? Warum haben wir versucht, etwas aufzubauen, das niemals eine reelle Chance hatte, zu existieren? Dabei hätte ich es wirklich besser wissen müssen. Immerhin bist du bei Weitem nicht der Erste deiner Art.
„Du bist der Eisberg, der die Titanic zum Sinken bringt.“, hast du später zu mir gesagt, ohne zu ahnen, dass du dich damit selbst zum sinkenden Schiff erklärtest. Später, nachdem wir also den Fehler begangen hatten, unsere Bedenken gegeneinander fallen zu lassen und uns näher „kennenzulernen“. Ich setze das bewusst in Anführungszeichen, denn du hast mich nie gekannt und wirst das auch nie von dir behaupten können. Wenigstens soweit habe ich es nicht kommen lassen.
Dabei war ich am Anfang von Phase 2 wirklich positiv überrascht und hatte fast schon so etwas wie ein gutes Gefühl bei dir, wobei ich den Begriff „Gefühl“ an dieser Stelle nicht überbewertet wissen möchte. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise so etwas wie Gefühle für dich – zu deinem Erstaunen nicht einmal Hass. Bis jetzt.
Jedenfalls schienst du anders zu sein als deine Vorgänger. Unser Verhältnis war von Anfang an ziemlich offen und wenn ich heute darüber nachdenke, was wir uns alles erzählt haben, kann ich nur den Kopf schütteln. Vor allem über das, was du erzählt hast – die größte Farce des Jahres! Ich frage mich wirklich, was genau du damit bezweckt hast. So wie ich mich dir gegenüber verhalten habe, hättest du dir deiner Sache ziemlich bald sehr sicher sein können. Es war mehr oder weniger offensichtlich, dass du bekommen würdest, was du wolltest, auch ohne großes Tamtam. Und das aus einem einfachen Grund: ich habe dieser Sache keinerlei Bedeutung beigemessen und du warst für mich nicht mehr als ein netter Zeitvertreib.
Oder sollte ich mir vielleicht die Frage stellen, was du wohl wirklich wolltest? Vielleicht hast du in dem Ganzen ja mehr gesehen als ich. Dein Verhalten kam mir teilweise schon seltsam vor und passte nicht immer hundertprozentig zu dem, was wir vorhatten, was ich vorhatte. Womit wir wieder beim Eisberg und der Titanic wären. Wahrscheinlich hast du das damals bedeutend weniger beiläufig gemeint, als ich es in dem Moment aufgefasst habe. Diese Interpretation ist für mich durchaus schlüssig, und deshalb werde ich es für mich dabei belassen.
Denn das hier ist mein Beitrag, um mit dir abzuschließen. Nicht, dass mir das sonderlich schwerfiele; wie gesagt, du hast mich emotional nie erreicht. Ich sehe mich eher als eine Art externer Beobachter, der auf zwei Menschen in einer ziemlich verfahrenen Situation herabblickt und sich verständnislos fragt, was bei den Beiden nur schiefgelaufen ist.
Was zum Teufel stimmt mit dir nicht? Meinst du, ich merke nicht, dass du meinen Körper nach wie vor von oben bis unten mit diesem Blick musterst, als hättest du auch nur den Hauch eines Anspruches darauf? Früher hat mir das durchaus gefallen, und einem Teil von mir imponiert es auf herablassende Weise nach wie vor. Nennen wir es Genugtuung. Mein Verstand hingegen möchte es einfach nur noch widerlich finden.
Und dann ärgere ich mich, wenn ich mich dabei ertappe, doch wieder ganz normal mit dir zu reden, als sei nichts gewesen. Aber was ist denn überhaupt gewesen? Nichts, so wie immer. Es ist einfach nur – wie so oft – auf halbem Wege komisch geworden.
Wenn ich deine Stimme höre, verkrampft sich eine Hälfte von mir vor Abscheu, während die andere versucht, jedes noch so kleine Wort zu verstehen, in der Hoffnung, daraus vielleicht doch noch irgendeine Erklärung für all das ableiten zu können. Wenn ich dich sehe, möchte ich dich einerseits mit meinen Blicken töten und mich andererseits schnellstmöglich abwenden, weil dein Anblick mir Übelkeit verursacht. Der penetrante Duft deines Haargels, den ich einst so sehr mochte, löst jetzt einen Brechreiz bei mir aus. Deine Geschichten und die Art und Weise, wie du sprichst, fand ich mal lustig. Doch im Grund sind sie nichts als primitiv. Kurzum: ich habe nur Verachtung für dich übrig.
Ein bisschen widert es mich ja selbst an, dass ich die Dinge, die passiert sind, überhaupt zugelassen habe. Dennoch bereue ich nichts, denn eins ist sicher: es war unumgänglich. Ein notwendiges Übel. Wir wären sonst ewig umeinander herumgeschlichen wie Löwen um ihre Beute und hätten uns dabei die berühmte „Was wäre, wenn…?“-Frage gestellt, und das wiederum hätte unausweichlich früher oder später zu demselben Ergebnis geführt.
So gesehen war es also durchaus vernünftig, dass wir dem Drama beizeiten ein Ende gesetzt haben. Ein Happy End war ohnehin niemals vorgesehen. Denn wenn sich der Eisberg und die Titanic zu nah kommen, ist ein Untergang vorprogrammiert.